Читать онлайн «Der Untertan»

Автор Генрих Манн

Dieses Buch Heinrich Manns, heute, Gott sei Dank, in aller Hände, ist das Herbarium des deutschen Mannes. Hier ist er ganz: in seiner Sucht zu befehlen und zu gehorchen, in seiner Rohheit und in seiner Religiosität, in seiner Erfolgsanbeterei und in seiner namenlosen Zivilfeigheit.

Ein Stück Lebensgeschichte eines Deutschen wird aufgerollt: Diederich Heßling, Sohn eines kleinen Papierfabrikanten, wächst auf, studiert und geht zu den Korpsstudenten, dient und geht zu den Drückebergern, macht seinen Doktor, übernimmt die väterliche Fabrik, heiratet reich und zeugt Kinder. Aber das ist nicht nur Diederich Heßling oder ein Typ. Das ist der Kaiser, wie er leibte und lebte. Das ist die Inkarnation des deutschen Machtgedankens, da ist einer der kleinen Könige, wie sie zu Hunderten und Tausenden in Deutschland lebten und leben, getreu dem kaiserlichen Vorbild, ganze Herrscherchen und ganze Untertanen. (Kurt Tucholsky)

Heinrich Mann, geboren 1871 in Lübeck, begann nach der Schule eine Buchhandelslehre, volontierte 1891 bis 1892 im S. Fischer Verlag, Berlin, gleichzeitig war er Gasthörer an der Universität und schrieb; 1931 wurde er zum Präsidenten der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin gewählt. Die Verfilmung seines Romans Professor Unrat (unter dem Titel ›Der blaue Engel‹ mit Marlene Dietrich) machte ihn weltberühmt. Im Februar 1933 wurde er aus der Akademie ausgeschlossen. Er emigrierte über Frankreich, Spanien und Portugal 1940 nach Kalifornien. 1949 nahm er die Berufung zum Präsidenten der neu zu gründenden Deutschen Akademie der Künste zu Berlin/DDR an. Heinrich Mann starb 1950 in Santa Monica/Kalifornien.

Heinrich Mann

Der Untertan

Roman

Fischer

Taschenbuch

Verlag

10. Auflage: Februar 2001

Veröffentlicht im Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, November 1996

Lizenzausgabe mit Genehmigung

des S. Fischer Verlages GmbH, Frankfurt am Main Die Erstausgabe erschien 1919 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1995

Alle Rechte beim

S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany

ISBN 3-596-13640-7

Inhalt

Der Untertan

Editorische Notiz

Zeittafel

Erste Seite des Manuskripts

I

Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt.

Ungern verließ er im Winter die warme Stube, im Sommer den engen Garten, der nach den Lumpen der Papierfabrik roch und über dessen Goldregen- und Fliederbäumen das hölzerne Fachwerk der alten Häuser stand. Wenn Diederich vom Märchenbuch, dem geliebten Märchenbuch, aufsah, erschrak er manchmal sehr. Neben ihm auf der Bank hatte ganz deutlich eine Kröte gesessen, halb so groß wie er selbst! Oder an der Mauer dort drüben stak bis zum Bauch in der Erde ein Gnom und schielte her!

Fürchterlicher als Gnom und Kröte war der Vater, und obendrein sollte man ihn lieben. Diederich liebte ihn. Wenn er genascht oder gelogen hatte, drückte er sich so lange schmatzend und scheu wedelnd am Schreibpult umher, bis Herr Heßling etwas merkte und den Stock von der Wand nahm. Jede nicht herausgekommene Untat mischte in Diederichs Ergebenheit und Vertrauen einen Zweifel. Als der Vater einmal mit seinem invaliden Bein die Treppe herunterfiel, klatschte der Sohn wie toll in die Hände –