Königin Kristina von Schweden
(1626-1689)
TEIL I
Ausgerechnet Ebba Sparres Medaillon! Das goldene Oval in Form einer blühenden Rose, auf das das Fräulein so stolz war. Denn obwohl es Winter war und der Wind so stark wehte, dass sich im Schloss von Uppsala selbst die Kaminfeuer unter seinem eisigen Hauch duckten, bedeckte die Kammerfrau der Königin ihr Dekolletee nicht, sondern trug das Schmuckstück gut sichtbar auf der hellen Haut. Nun aber war die Goldrose verschwunden und Fräulein Ebba erinnerte sich nicht daran, wo sie sie verloren haben könnte. Seit Stunden wurde im Schloss gesucht. Rufe ertönten in den Gängen, Lakaien liefen aufgeregt hin und her und sahen auf jedem Sekretär und in jeder Schublade nach. Ein Dienstmädchen drückte sich mit verweintem Gesicht an der Eingangstreppe herum. Selbst aus der Küche wurden zwei Frauen gerufen, um jeden einzelnen der verwinkelten Gänge abzugehen. Ein ausländischer Repetitor mit einer schlecht sitzenden Perücke scheuchte die Studenten auf, die heute Morgen eingeladen worden waren, um den königlichen Gästen aus Stockholm ihre Aufwartung zu machen.
»Das Medaillon ist ein Erbstück«, erklärte der Tischdiener Olof in der Küche. Seine Wangen glühten vor Aufregung und er zupfte ständig an den bestickten Ärmelaufschlägen seiner blauen Livree herum. »Es gehörte Fräulein Ebbas Vater. Das hat sie bei Tisch einem der Studenten erzählt. Beinahe geweint hat sie, als sie darüber sprach! Und die Königin hat befohlen, dass sogar der Sekretär des Bischofs beim Suchen helfen muss! Stellt euch vor – Kester Leven persönlich kriecht in den Ecken herum. « Die Hilfsköche grinsten.
Elin beugte sich noch tiefer über den kupfernen Topf, den sie gerade ausscheuerte.
Eine weißblonde Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht und Elin schob sie mit ihren nassen Fingern zurück unter die Haube. Ihre Hände waren taub vor Kälte, denn das Waschwasser wurde nicht erhitzt. Nur am Ofenfeuer konnte sie sich ein wenig aufwärmen – vorausgesetzt, Greta, die Köchin, sah gerade nicht hin. Verstohlen musterte Elin den Diener. Olofs Hände waren fein und hell wie die einer Dame. Elin stellte sich vor, wie er geschickt die Silberplatten mit dem Pökelfleisch und dem gebeizten Lachs balancierte. Beim bloßen Gedanken daran, dass Kristina, die Königin von Schweden, nur wenige Hallen von dieser Küche entfernt an der prächtig gedeckten Tafel saß, bekam Elin heftiges Herzklopfen.»Heute Morgen hat Fräulein Ebba das Schmuckstück angelegt«, erzählte Olof weiter. »Sie erinnerte sich auch daran, es noch getragen zu haben, bevor sie zur Kanzlei ging. Und plötzlich ist es weg!«
»Gib es zu, Ida, du hast es!«, rief der Hilfskoch. »Lass mich nachschauen – du hast es in deinem Mieder versteckt!«
Die Küchenmagd blickte verdutzt hoch. Bevor der unverschämte Kerl nach ihrem Hals greifen konnte, sprang sie zurück und schlug nach seiner Hand. Alle lachten.