Herbert W. Franke
1
Erwachen
Das Radiofon schlug an. Vries hatte darauf gewartet und ließ die Leertaste sofort hinunterschnellen.
»Wir haben etwas«, schnarrte es aus dem Lautsprecher.
»Wo?« fragte Vries.
»Das Leitfeld ist eingestellt. «
»Wir kommen«, sagte Vries und winkte seinem Assistenten.
Sie traten auf den Gang hinaus und folgten seiner sanften Krümmung bis zur nächsten Hohlstrebe des Ringschiffes. Ein Lift hob sie gegen die Fliehkraft zur schwerelosen Achse empor und schob sie in das Boot. Sie setzten sich, Vries vorn und Ebb dahinter. Die Türöffnung schloß sich – es glich dem Zubeißen zweier Kiefer, als sich die von oben und die von unten kommenden Schiebeflächen berührten.
Wie ein Torpedo löste sich das Lanzett des Bootes aus dem Hohlzylinder des Schiffszentrums. Es flog geradewegs in der Verlängerung der Radachse aus dem Verband hinaus, dann wurde es vom Leitfeld erfaßt. Langsam drehte es sich auf den Planeten zu – einen silbernen Ball in der Leere des Raums.
»Ob sie ein intelligentes Wesen gefunden haben?« fragte Ebb.
»Kaum anzunehmen«, antwortete Vries.
Der Kader der Raumschiffe zog wie ein Vogelschwarm über sie hinweg, bald kamen sie aus dem Flackern von wechselndem Licht und Schatten hinaus und badeten im Schein der fremden weißen Sonne wie die fünfhundertzwölf schillernden Punkte, die das regelmäßige Raumgitter eines Rhomboeders bildeten. Fünfhundertzwölf Schiffe, acht Schichten von je vierundsechzig Schiffen, in der regelmäßigen Anordnung eines Kristalls. Alle Ringachsen standen parallel, das zwischen den Streben gespannte Geflecht der Ionisierungsbatterien war der Sonne zugewandt, um möglichst viel der lebenspendenden Energie einzusaugen. Jede untere Schicht von Schiffen war ein wenig gegen die obere verschoben, damit alle an dem Strahlensegen teilhaben konnten.
Das Boot näherte sich in einer locker gewundenen Spirale rasch dem Planeten.
Vries war schon auf vielen Himmelskörpern gelandet, auf mindestens zwei Dutzend als selbständiger Leiter der Anthropologischen Station, aber immer wieder empfand er das Fluidum des Unbekannten beglückend und anfeuernd. Aufmerksam spähte er durch das Frontfenster.Der Anblick war grandios. Rings um das Boot hingen weiße Fäden aus kondensiertem Wasserstoff, der in Form von flüssigem Plasma die Patronen füllte, bevor er als Gas aus den Düsen schoß – Fäden, die den angesteuerten Planeten an die Schiffe zu knüpfen schienen. Sie stammten von Erkundungsbooten, die kurz vor ihnen gestartet waren.
»Eigenartig«, sagte Ebb. »Ist schon bekannt, wie es zu diesem Aussehen kam?«
Der Anblick, den der Planet bot, war tatsächlich höchst eigenartig. Ein Großteil seiner Oberfläche war von Wasser überzogen, es gab aber auch Kontinente mit langgestreckten Faltengebirgen, und alle Kontinente waren eintönig grau – bis auf eine Ausnahme, eine grüne Insel, die wie ein Auge zu ihnen heraufsah. Felder von Wolken lagen wie Watteflocken auf der Kugel verstreut.
Fasziniert blickte Vries in das grüne Auge hinein. »Eine Trillion Tonnen Wasser«, sagte er mehr zu sich selbst als zu seinem Assistenten. »Bis auf die Zwillingsplaneten im Schwan haben wir noch nirgends soviel Wasser gefunden. « Er drehte sich kurz zu Ebb um. »Das Rätsel war nicht schwer zu lösen. Der Planet besaß früher zwei Eiskappen auf den Polen, und bis auf diese Polgebiete waren seine Kontinente mit riesigen, ununterbrochenen Städten überzogen. Sie sind heute längst zerfallen. Inzwischen ist die Drehachse gewandert, das unbebaute Polgebiet kam in eine äquatornahe Zone – so kam der pflanzenbewachsene Fleck zustande. Die Polkappen sind von hier aus nicht zu sehen, doch die nördliche wird gleich ins Blickfeld kommen. «