Nina Blazon
cbt ist der Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House
Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform
1. Auflage 2011
© 2011 für die deutschsprachige Ausgabe
cbt/cbj Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Hanna Hörl Designbüro München,
unter Verwendung eines Motivs von Valentina Kallias
KK · Herstellung: AnG
Lektorat: Susanne Evans
Satz: Uhl+ Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-05658-2
Teil I –
new york,
new york
das haus der träume
Und er atmet wirklich?«, fragte Mo.
»Wäre ziemlich seltsam, wenn nicht«, antwortete Night trocken. »Schlafende Menschen atmen für gewöhnlich. Auch wenn man es bei dem da kaum sieht. «
Sie ließ den Blick über das Lager des Jungen schweifen, dann gähnte sie und streckte sich genüsslich. Im Rechteck des Fensters konnte Mo die Silhouette ihrer Freundin vor dem Nachthimmel gestochen scharf erkennen: die kräftigen Arme und die Hände, die erst zitternd vor Spannung in der Luft verharrten und sich dann, beim Herabsinken, zu lockeren Fäusten ballten. Night bemerkte Mos Blick, drehte sich zu ihr um und grinste. Ihre schwarze Haut verschmolz mit dem Halbdunkel des Zimmers. Dafür blitzten ihre Zähne umso heller. »Brauchst keine Angst vor ihm zu haben, Mondmädchen«, sagte sie. »Zumindest nicht, solange ich in der Nähe bin. «
»Ich habe keine Angst«, erwiderte Mo leise.
Aber die ganze Wahrheit war es natürlich nicht.
»Gut, wir haben ihn uns angeschaut«, flüsterte Cinna aus der anderen Ecke des Zimmers. »Jetzt lasst uns wieder gehen Ich finde es unheimlich hier. «
Night lachte. »Im Augenblick kann er uns nichts tun. «
Mit diesen Worten ging sie geradewegs zum Bett. Ihre Finger schlossen sich um das Handgelenk des Schlafenden. Er reagierte nicht darauf, als sie seinen Arm anhob, aber Mo wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Du wirst ihn noch aufwecken«, zischte Cinna.
Night ließ die Hand einfach los. Sie fiel auf die Brust des Jungen und blieb dort liegen. Atemlos starrten Mo und Cinna den Schlafenden an, aber er regte sich nicht.
»Seht ihr?«, sagte Night trocken. »Wir können ihn nicht wecken. Ich wette, ich könnte sogar auf seiner Brust herumtanzen, er würde es nur für einen schlechten Traum halten. Doch vermutlich schläft er ohnehin so tief, dass er ebenso wenig träumt wie ein Toter. «
Cinna wirkte nicht so, als würde diese Vorstellung sie beruhigen.
»Na gut«, meinte Night. »Ihr habt ihn ja gesehen. Die Lektion ist einfach: Wenn ihr einen von denen da findet, haltet euch weg von ihnen und hört nicht auf die Stimmen. Sie sind gefährlicher als die Gespenster, vergesst das nicht. Keine Regel von der Ausnahme. Und jetzt lasst uns abhauen. Die anderen warten ohnehin schon auf uns. «
Sie wandte sich von dem Jungen ab, huschte zum Fenster, zog sich mit einem geschmeidigen Schwung auf das Fensterbrett und von dort aus auf einen Ast des Baumes, der vor dem Haus stand. Sie mochte drei Leben alt sein, aber beim Klettern machte ihr immer noch keiner etwas vor.