Читать онлайн «Freiheit»

Автор Джонатан Эрл Франзен

Jonathan Franzen

Freiheit

Geht vereint,Ihr Schatzgewinner, alle; euern JubelTeilt allen mit. Ich alte TurteltaubeSchwing mich auf einen dürren Ast und wein,Bis ich gestorben bin, um meinen Mann,Der niemals wiederkommtWilliam Shakespeare, Das Wintermärchen

GUTE NACHBARN

Die Meldungen über Walter Berglund wurden von der Lokalpresse nicht aufgegriffen — er und Patty waren zwei Jahre zuvor nach Washington gezogen und hatten für St. Paul inzwischen keinerlei Bedeutung mehr — , aber die Bürger des aufstrebenden Viertels Ramsey Hill waren ihrer Stadt gegenüber nicht loyal genug, um nicht die New York Times zu lesen. Einem langen und wenig schmeichelhaften Artikel in der Times zufolge hatte Walter sein Berufsleben dort in der Hauptstadt ziemlich verpfuscht. Seine früheren Nachbarn hatten einige Mühe, die Eigenschaften, die ihm die Times zuschrieb («arrogant», «selbstherrlich», «moralisch korrumpiert»), mit dem großherzigen, freundlichen, rotgesichtigen 3M-Angestellten in Einklang zu bringen, den sie noch auf der Summit Avenue bei Februarschnee in die Pedale seines Pendlerfahrrads treten sahen; es schien merkwürdig, dass Walter, der doch grüner war als Greenpeace und selbst vom Land kam, nun in Schwierigkeiten stecken sollte, weil er gemeinsame Sache mit der Kohleindustrie gemacht und Landbewohner schlecht behandelt hatte. Andererseits, irgendetwas hatte mit den Berglunds ja schon immer nicht ganz gestimmt.

Walter und Patty waren die jungen Pioniere von Ramsey Hill gewesen — die ersten College-Absolventen, die sich ein Haus an der Barrier Street kauften, nachdem der alte Stadtkern von St. Paul drei Jahrzehnte zuvor auf den Hund gekommen war. Sie zahlten so gut wie nichts für die viktorianische Villa und schufteten sich dann zehn Jahre lang tot, um sie zu renovieren.

Gleich am Anfang steckte irgendein sehr zielstrebiger Mensch ihre Garage in Brand und brach zweimal ihren Wagen auf, bevor sie es geschafft hatten, die Garage wieder aufzubauen. Das freie Grundstück gegenüber wurde regelmäßig von sonnenverbrannten Bikern heimgesucht, die dort Schlitz tranken, Knackwurst grillten und in den frühen Morgenstunden die Motoren aufheulen ließen, bis Patty im Jogginganzug vor die Tür trat und sagte: «Also ehrlich, Leute, wisst ihr was?» Patty machte niemandem Angst, aber sie war in der Highschool und auf dem College eine Ausnahmeathletin gewesen und so unerschrocken, wie es nur Sportler sind. Sie konnte gar nichts dagegen tun, dass sie in der Nachbarschaft vom ersten Tag an auffiel. Wenn diese große, aberwitzig junge Frau mit dem Pferdeschwanz ihren Buggy an Autowracks, zerbrochenen Bierflaschen und bekotztem Altschnee vorbeischob, hätte man meinen mögen, sie trüge jede einzelne Stunde ihres Tages in den am Buggy hängenden Einkaufsnetzen mit sich herum. Hinter ihr sah man die von Kleinkindern behinderten Vorbereitungen für einen Vormittag von Kleinkindern behinderter Besorgungen liegen; vor ihr einen Nachmittag mit öffentlichem Rundfunk, Silver Palate-Vollwertkochbuch, Stoffwindeln, Gipsmischung und Latexfarbe; dann Goodnight Moon und schließlich Zinfandel. Sie war schon ganz das, was sich für den Rest der Straße gerade erst anzubahnen begann.